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Mata Ni Pachedi – Tragbare Tempel in Gujarat

Abends in Ahmedabad angekommen, haben meine Reisegefährtin Sue und ich den ersten Termin unserer Textil-Tour in Indien beinahe verschlafen. Um neun Uhr sollte es losgehen, um viertel vor neun wurden wir durch lautes Klopfen an der Zimmertür geweckt: Einige unserer Mitreisenden hatten uns am Treffpunkt, in der Lobby unseres Hotels, des ‚House of MG‘ vermisst. Zum Glück werden Zeitangaben in Indien nicht so genau genommen, wir waren nicht die einzigen, die später eintrudelten und um halb zehn setzte sich die Gruppe tatsächlich in Bewegung.

Ziel war die Werkstatt von Satish, einem Künstler des ‚Mata Ni Pachedi‘, die zehn Minuten vom Hotel entfernt lag.

Was diese seltsamen Worte bedeuteten, erklärte uns Satish kurze Zeit später: ‚Mata Ni Pachedi‘ bedeutet wörtlich übersetzt: ‚Hinter der Muttergöttin‘. Dargestellt werden auf dem Tuch bildhaft Geschichten der Muttergöttin, die von der Volksguppe der Vaghri besonders angebetet wird.

 

 

Allerdings war es ihnen, vor rund dreihundert Jahren, nicht erlaubt den Tempel zu betreten. Um dennoch beten zu können, malten sich die Vaghri ihre eigenen Tempel, eben die Mata Ni Pachedi. Ein Mata Ni Pachedi ist also ein tragbarer Schrein, zur Anbetung der Muttergöttin.

Diese Bedeutung hat sich gewandelt. Die Tücher werden heute eher von Kunstinteressierten gekauft, als zur religiösen Inspiration.

Dass Satish eine große Portion Kunstfertigkeit, Talent und überliefertes Wissen besitzen musste wurde mir klar als ich das Material sah, mit dem er arbeitete. Ein Stück Stoff und einen Plastikteller mit zerriebenen Steinen und Pflanzenteilen. Daraus sollte ein Bild, ein Kunstwerk entstehen?

Auf jeden Fall war ich jetzt hellwach, denn Färben mit Pflanzenfarben interessiert mich sehr.

Da die Vaghri zu den ärmeren Bevölkerungsgruppen gehörten war bei ihnen der sorgsame Umgang mit Ressourcen selbstverständlich. Alle Färbe-Materialien sind seit jeher selbst gesammelt oder geerntet, die Farben hausgemacht, die Rezepte auf ein Minimum an Abfall und ein Maximum an Qualität ausgerichtet.

Wie viele Textilien, die mit Naturfarben bearbeitet werden, wird der Stoff aufwändig vorbereitet. Dazu gehört das Entfernen der Appretur, wenn es sich um neuen Stoff handelt oder aller Flecken und  Unreinheiten wenn gebrauchter Stoff verwendet wird. Gespült wird mit einer Lösung aus ‚Harda‘ (terminalia chebula), wenn ich es richtig verstanden habe.

 

 

So richtig langwierig ist die Herstellung der schwarzen Farbe, mit der die Umrisse gezeichnet werden. Laut Satish wird eine Lösung aus Eisen und gekochtem Rohrzucker ( Jaggery) aufgekocht und zwei bis drei Wochen offen, zum Fermentieren, stehen gelassen. Wenn die Lösung fertig zu sein scheint wird sie noch einmal mit Reismehl aufgekocht, um eine zähflüssige Paste zu gewinnen.

 

Dann beginnt die Arbeit des Künstlers. Zuerst werden die Umrisse aufgetragen. Jeder Strich ist bedeutungsvoll, denn es geht um die Darstellung einer Göttin und ihrer Taten. Die müssen ausdrucksvoll und anbetungswürdig sein.

Dann werden die Zwischenräume mit einer gelben Paste aus Alaun und Reismehl gefüllt. Wenn danach die Tücher in ein Färbe-Bad mit Krapp getaucht werden, dann werden die Umrisse die mit Eisen gemalt wurden tiefschwarz, die Alaun-gebeizten Stellen werden rot. Sollen manche Stellen hell bleiben, dann werden dem Färbe-Bad danach noch Pflanzen und Kamel-Dung hinzugefügt. Das habe ich selbst nicht gesehen, es nur erzählt bekommen. Aber in Indien wird der Dung von Tieren tatsächlich zu allerhand verwendet…

 

Vieles am Färbe-Prozess habe ich wiedererkannt. Allerdings haben mich die langwierige Herstellung der Farben, das sorgsame Vorbereiten des Stoffes und die aufwändige Nachbehandlung sehr beeindruckt. Die Achtsamkeit und Sorgfalt, die hier dem Färben zugemessen wird, habe ich sonst noch nirgends erlebt. Und natürlich war die Kunstfertigkeit, mit der Satish zeichnete, besonders. Kein Wunder, dass ein großes Tuch mehrere (Zehn)Tausend Rupien kosten sollte. Zum Glück gab es auch kleine Zeichnungen, die ich mir leisten konnte.

Das war ein toller Auftakt, unserer Textil-Tour in Indien. Von den weiteren Unternehmungen berichte ich dann in den kommenden Tagen.

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  1. Katrin Fiederling

    Schöne Bilder und Dank Deiner Beschreibung ist man fast dabei. Die tragbare Muttergöttin könnten auch wir zur Sicherheit n der Handasche tragen…
    ich bin gespannt wie es weitergeht.
    Shubhakaamanaen ! Katrin

    • Claudia Krischer

      Liebe Katrin, Es freut mich sehr, dass Du in Gedanken nach Indien reist und mit mir ein zweites Mal diese Orte besuchst. Und was Du alles in Deiner Handtasche trägst musst Du mir irgendwann einmal zeigen.
      Beste Grüße, Claudia

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