Hechingen liegt nicht im Zentrum der üblichen Touristenströme. Aber alle zwei Jahre Anfang Mai besuchen rund 900 Frauen für ein Wochenende das Städtchen am Rande der Schwäbischen Alb. Sie mieten sich in Gasthöfe, Hotels und Pensionen ein, treffen sich abends in Gasthäusern zum Spinatknödelessen und verbringen den Tag auf dem großen Sockenstrickertreffen.
Henrike Zwerger, Mitinhaberin der TUTTO Wolfgang Zwerger GmbH und Organisatorin, erzählte mir begeistert von dem Treffen der Kreativen: „Dieses Mal kam sogar eine Strickerin aus Norwegen um mit uns zu Stricken.“
Denn in Hechingen liegt seit 1996 die Produktion der Opal Sockenwolle. Von den Eltern gegründet, führen heute die Geschwister Frederic, Henrike und Felix die Firma. Dass ein mittelständisches Unternehmen, mit rund fünfundzwanzig Mitarbeitern, in der zweiten Generation gemeinsam geleitet wird ist nicht selbstverständlich. „Das klappt auch nur weil wir uns super verstehen.“ erklärt Henrike Zwerger, die für den Sales-Bereich zuständig ist. Eine Karriere in der Firma sah ihr Lehramts-Studium zunächst auch nicht vor: „Irgendwie bin ich dann doch in den Betrieb gekommen. Dabei kann ich gar nicht so gut Stricken. Wenn ich für eine Präsentation etwas Besonderes brauche, dann bitte ich eine der Frauen hier um Hilfe – die können das so viel besser als ich.“
Dafür hat die zierliche, dunkelhaarige Schwäbin offenbar ein Händchen für das Familien-Unternehmen. Die Zwergers verkaufen nicht nur in Deutschland, auch weltweit hat sich Opal Wolle einen Namen gemacht. Sogar in Japan ist die Nachfrage nach der besonderen Qualität von der Alb groß.
„Wir verwenden zur Hälfte südamerikanische Merinowolle und zur Hälfte deutsche Wolle. Produziert wird ausschließlich hier.“ wird mir die Firmen-Philosophie erläutert. Um die Qualität der deutschen Wolle zu verbessern, dachten sich die Zwergers das ‚Schafpaten-Projekt‘ aus. Für die 60 Euro, die jeder Pate im Jahr zahlt, werden Zuchtböcke gekauft und Wanderschäfer unterstützt. So entsteht zum einen eine Wolle aus 100 Prozent deutscher Schafwolle. Zum anderen erhalten Schäfer einen fairen Preis für die Wolle und einen Anreiz bei der Zucht auf bessere Wollqualitäten zu achten. Und die 451 Schafpaten bekommen auf dem jährlichen Treffen immer ein besonderes Geschenk.
Nicht nur wegen des Geschenks bin ich dann auch sofort Schafpatin geworden. Die Idee, Wanderschäfer zu unterstützen und Wolle wieder einen Wert zukommen zu lassen, gefällt mir!
Auf der Führung durch die Betriebsräume wurde aber gerade nichts für die Schafpaten produziert. Und überallhin durfte ich auch nicht. Die Färberei zum Beispiel, ist ein Betriebsgeheimnis. Axel Herzog, der Mitarbeiter der mir Spulerei und Dämpferei zeigt, ist stolz auf die besonderen Maschinen, die einen Teil des Erfolgs der Opal Sockenwolle ausmachen: „Das sind spezielle Anfertigungen, die wurden extra für den Betrieb so gebaut.“ erklärt er mir den Grund warum ich dort weder Eintreten noch Fotografieren darf.
Klar, die Farben sind ja das ganz besondere Etwas bei dieser Wolle. Da hätte ich gerne ein wenig gelauert. Angefangen hatte es mit den Variationen nach Bildern des Künstlers Hundertwasser, für die Frederic Zwerger, noch zusammen mit seinem Vater Wolfgang, 2006 die Lizenz erwarb. „Wir waren die ersten, die dann der bunten Wolle einen Namen gegeben haben. Vorher hieß es einfach ‚Multicolor 3‘ bei uns ist es ‚Die Straße zum Sozialismus‘.“ freut sich Henrike Zwerger und meint: „Ich mag es, wenn Kunden bei mir anrufen und sich Wolle nach den Namen bestellen. Dann merke ich, dass die Kunden diesen besonderen Bezug zu unserer Wolle haben.“
Auch im knallbunten Werksverkauf ist die Freude an Farben zu spüren. Und die Kreativität der Eigentümerfamilie, die einen ganz engen Bezug zu ihrem Produkt hat.
Für Woll-Liebhaberinnen gibt es also viele Gründe sich auf die Socken zu machen und Hechingen zu besuchen.