Unsere Entdeckungsreise durch Lettland, auf der Suche nach Strick-Traditionen, führte uns als Erstes nach Kurzeme, das alte Kurland. Dort hatte ich ja schon einiges an Strick-Techniken kennengelernt. Diese Mal war ich speziell an den Suiti interessiert. Auf dem Weg dorthin ließen wir uns Zeit und besuchten erst einmal Jaunmokapils.
Jaunmoka war das Jagdschloss des vierten Bürgermeisters von Riga, George Armitstead. Er ließ es 1901 im neugotischen Stil, mit einigen Jugendstil-Elementen, erbauen. Anfang Juli gab es, anlässlich des 120-jährigen Jubliäums, ein Gartenfest.
Die Terrasse und der Schlosspark waren herausgeputzt, so dass wir uns einen Spaziergang nicht nehmen lassen wollten. Zwei Rosenzüchter aus der Region hatten bei der Anlage der Terrassen traumhafte englische Rosen gepflanzt, von denen einige bei unserem Besuch noch blühten.
Weiter nach Alsunga, im historischen Kurland, im Westen Lettlands, wo wir uns eigentlich die Trachten der Suiti, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurden, anschauen wollten. Die Anfänge dieser Tradition beginnen im Jahr 1623 und sind verknüpft mit der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, mit Schwerin. Und weil ich ja seit einiger Zeit auch in Mecklenburg-Vorpommern lebe, wollte ich mehr über die Suiti wissen und was Johann Ulrich von Schwerin dort angerichtet hatte. Das ist nämlich eine romantische Geschichte, die da erzählt wird. Abgesehen natürlich davon, dass die Suiti sehr schöne Strümpfe, mit großen Blumen-Mustern, tragen und wunderschöne Handschuhe mit ornamentalen Mustern stricken. Unter diesem Link gibt es mehr über die Suiti und einige Muster.
Eine echte win-win-Unternehmung für mich also, die mit einer Liebesgeschichte beginnt.
Johann Ulrich von Schwerin leistete 1623 Militärdienste für den König von Polen, als er sich in die katholische Hofdame Barbara Konarska, verliebte. Um sie heiraten zu können wurde er ebenfalls katholisch, was ein echter Liebesbeweis war, da ganz Kurland zu dieser Zeit protestantisch war. Als sein Vater starb und das Paar 1632 nach Alsunga reiste um das Erbe anzutreten, lud Johann Ulrich Jesuiten in sein Herzogtum ein, die helfen sollten den katholischen Glauben zu verbreiten. Diese Aktion war richtig erfolgreich, denn die Suiti sind bis heute katholisch geblieben und haben ihre Traditionen über die Jahrhunderte bewahrt. Sie spielen besondere Musikinstrumente, Kokle (eine Art Zither) und den Dudelsack, sprechen einen alten lettischen Dialekt (was ich nicht beurteilen kann, weil meine Lettisch-Kenntnisse minimal sind) und tragen ihre spezielle Tracht, deren Machart besonderes im Weberzentrum Alsunga weitergegeben wird. Viele Menschen sind es nicht mehr, die der Volksgruppe angehören, rund zwei- bis dreitausend, etwa. Darum wurden die Suiti und ihre Kultur 2009 von der UNESCO in die Liste des dringend zu schützenden immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Weil das Museum zurzeit renoviert wird, steuerten wir das Schloss von Alsunga an. Dorthin sind einige Prachtstücke der Museums-Sammlung ausgelagert. Wir konnten eine Hochzeitstracht sowie Strümpfe mit ornamentalem Muster bestaunen und hatten dann das Glück, dass ein Konzert mit Musik der Suiti stattfinden sollte und wir rutschten noch so gerade in die Aufführung hinein. Die Musiker trugen traditionelle Suiti-Tracht – die große Brosche auf der Brust und, ich schaute natürlich genau hin, die blumengemusterten Strümpfe. Eine der Musikerinnen war so freundlich uns einen Blick auf ihre Strümpfe werfen zu lassen und lupfte, nach dem Konzert, ihren Rock.
Dann besuchten wir die Weberin Mareta, die gerade einen der traditionellen Suiti-Umhänge auf dem Webstuhl hatte. Die Werkstatt war eine kleinen Schatzkammer, denn nicht nur, dass in einem Schrank die gesamte Tracht ihrer Familie ruhte ( und die wir, Stück für Stück in ihrer handgefertigten Einzigartigkeit bewundern durften) in drei alten Koffern, die allein schon auf jedem Flohmarkt ein begehrtes Beute-Objekt wären, lagerten Strümpfe, Handschuhe und gewebte Gürtel. Wenn überlieferte Muster heutzutage verwendet und getragen werden, dann finde ich das fast noch besser als den Anblick von Museums-Stücken. Insofern war es eigentlich ein Glücksfall, dass das Museum gerade renoviert wird. Die Ausstellungsstücke dort werde ich mir dann ein anderes Mal ansehen müssen. Es ist ja auch immer schön, einen Grund zu haben wiederzukommen.
In Kuldiga stoppten wir, weil manche unserer kleinen Truppe Eis, andere Stricknadeln, brauchten. Und weil Kuldiga, mit seinen rund 12.000 Einwohnern und verschiedenen kleinen Geschäften und Lokalen so gemütlich und freundlich ist. Ebenfalls ein Ort, den ich noch einmal besuchen möchte.
Kuldiga, einige Zeit Hauptstadt von Kurland und Hansestadt, ist nicht nur bekannt für die Stromschnellen der Venta, die mit 270 Metern die breitesten Europas sind und ihre, über die Venta führende, Backsteinbrücke, die mit 164 Metern die längste befahrbare Backsteinbrücke Europas ist, in der Burg Goldingen gibt es auch eine umfangreiche Handschuh-Sammlung, die ich bei einem früheren Besuch anschauen durfte.
Es wurde schon dunkel, als wir im Schloss von Dundaga ankamen und wir fielen in unsere Betten ohne viel von der Umgebung wahrzunehmen. Wie es um uns herum aussah und was wir in Dundaga, entdeckten – ja es gibt in Dundaga andere interessante Sehenswürdigkeiten außer der berühmten Wollfabrik – davon erzähle ich im nächsten Beitrag.