Reisen

Die Mohair-Oase in der Extremadura

Die Mohairziegen in Spanien wollte ich ja schon sehen seit ich David und Jackson auf dem Barcelonaknitsfestival kennengelernt hatte. Jetzt war es so weit. In Spaniens Extremadura habe ich ‚El Robledal de la Santa Mohair’ besucht, die größte Mohairziegen-Herde Spaniens. Von Madrid aus sind es gut zwei Autostunden bis dorthin. Vorbei an Oliven-Hainen wird das Land immer flacher, bis wir an den Fuß der Bergkette Gredos gelangen. Dort, in der Provinz Cáceres, in Santa María de las Lomas, befindet sich die Zucht, der Stolz von David und Jackson.

Nachhaltig, die Ressourcen der Umgebung nutzend, arbeiten die beiden an ihrem Projekt. Hier entsteht eine Mohairwolle, die nicht nur besonders seidig und farbenprächtig ist. Und die ich als erstes sehen und anfassen darf. Das freut mich deswegen besonders, weil ich in Barcelona nicht dazu gekommen war. Den Tieren geht es auch wirklich gut hier. Die schauen wir uns als nächstes an. Kleine Betriebe, in denen die Eigentümer mit viel Herz und eigenen Ideen arbeiten, gefallen mir ja besonders gut. Jetzt freue ich mich, den Rest des Nachmittags hier draußen zu verbringen.

 

 

Es ist eine wunderbare, in sich ruhende Welt. Vor dem kleinen weißen Haus steht eine der Eichen, die namengebend waren. ‚El Robledal‘ ist der Eichenhain.  Wir befinden uns in Santa Maria – daraus wurde ‚Santa Mohair. Also ‚El Robledal de la Santa Mohair – alles ganz klar. David und Jackson lieben das Landleben und ihre Tiere.  Kaum etwas mögen die beiden mehr, als über ihre Tiere zu sprechen. Jede Ziege hat einen Namen, ihren eigenen Charakter. Sie wird umhegt und gepflegt. In der Herde, erfahre ich, gibt einen Onkel, Jean Louis, der sich rührend um die Jungtiere kümmert und ihnen zeigt wo es langgeht, im Herdenleben. Dann ist da Marlon, der, als jüngerer von Zwillingen, klein und schwächlich wie er war, auch noch krank wurde und sein Fell verlor. Jetzt ist Marlon wieder fit. Aber immer noch viel kleiner als sein Zwilling Parker. Und nie würden die stolzen Besitzer David und Jackson eines ihrer Tiere hergeben.

Zwar rechnen sie im Frühjahr mit etwa acht Jungtieren (Namen haben sie sich schon überlegt). Auch wenn es wieder, wie in den vergangenen Jahren, viele „Mädchen“ geben würde. Und der Nachbar wieder anfragen würde (wie er es in den vergangenen Jahren tat), ob man nicht wenigstens tauschen könnte, gegen eines seiner männlichen Tiere. Weil er doch so gerne ein weibliches Tier für die Zucht hätte. Jackson schüttelt den Kopf ‚“Ich weiß noch nicht“ sagt er, „was ich Juni tun werde, aber ich denke, wir werden keine weggeben.“ Ihr Traum ist es, die Herde auf bis zu fünfzig Tiere aufzustocken. Jetzt sind es zweiundzwanzig.

Sind es nun Angoraziegen oder Mohairziegen? Angora heißt die Ziege, Mohair die Wolle. Da es aber auch Angorakaninchen gibt, sprechen viele, der Einfachheit halber, auch von ‚Mohair-Ziege‘. Wie sind denn diese Mohairziegen nun in der Extremadura gelandet, wundere ich mich schon ein wenig. Für die beiden Züchter ist es keine Frage.

 

 

Diese Ziegen sind ganz einfach die besseren Schafe. Finden zumindest David und Jackson. Als die beiden sich vor rund fünf Jahren in England bei verschiedenen Züchtern umschauten, nach einer Schafrasse, die sie bei sich in Spaniens Provinz Cáceres halten könnten, entdeckten sie Mohairziegen. Und waren von den Tieren angetan. Sie sind drollig anzusehen, sind sanftmütig und meckern nicht viel (im wahrsten Sinne des Wortes). Im Gegensatz zu den kurzhaarigen Verwandten springen und klettern sie nicht. Ihre Wolle ist rar und vielseitig zu vermarkten. Und sie kommen gut mit dem Klima klar, denn sie stammen aus dem Gebiet des heutigen Ankara. Das hieß vor vielen hundert Jahren einmal ‚Angora‘. So kamen die Ziegen zu ihrem heute noch geltenden Namen. Auch wenn sich der Name der Stadt inzwischen geändert hat. Warm und trocken ist es dort damals wie heute und so ist das Klima auch in der Extremadura.

 

Regen mögen die Tiere nämlich überhaupt nicht. Das kann Jackson bestätigen. „Wenn ich an einem Regentag die Stalltür öffne, geht keine Ziege nach draußen. Die schauen mich nur an und drehen sich dann um. Dann muss ich ihnen ihr Futter in den Stall bringen.“ Klar, Heu gibt es nicht in dieser trockenen Region. Aber Ziegen sind bekanntermaßen genügsam und diese hier fressen dann die Olivenzweige, die vom Baumschnitt der hauseigenen Olivenbäume abfallen. „Ich verstehe die Tiere“, erklärt er „es dauert ewig, bis das Fell wieder trocken ist.“ Im Gegensatz zu Schafwolle enthält die Mohairwolle nämlich kein wasserabweisendes Lanolin.

 

Zweimal im Jahr werden die Mohairziegen geschoren, im März und Oktober. Dann kommt ein Scherer, der sich in Frankreich in der Zusatzausbildung ‚Mohairziegen scheren‘ hat ausbilden lassen. „Er ist wunderbar mit den Tieren.“ erklärt mir Jackson. „Bei ihm sind sie ganz ruhig und lassen sich geduldig scheren. Jean Louis schläft beinahe ein.“ Ich bekomme das Gefühl, dass jemand anderes, jemand der nicht ‚wunderbar mit den Tieren‘ wäre, hier auch keine Chance hätte, seine Schere auch nur auszupacken.

 

 

Bei der zweiten Schur, im Oktober, ist das Vlies rund fünfzehn Prozent schwerer als im Frühjahr. „Das ist wirklich erstaunlich“ wundert sich David „Ich meine, im Sommer ist es heiß, die Muttertiere haben Stress mit den Kleinen und trotzdem haben sie ein dichteres Fell.“ Gewaschen wird das Vlies dann mit der hauseigenen Seife. Davids Mutter stellt nämlich Naturkosmetik her. Ab da wird es problematisch, denn Spinnereien, die kleine Mengen zum Verspinnen annehmen, gibt es in Spanien nicht mehr. Die Rohwolle wird also nach England geschickt und dann heißt es: Warten. In England haben die Spinnereien alle Hände voll zu tun, und die Wartezeit, bis die versponnenen Wolle zurück nach Spanien kommt, beträgt neun Monate.

Bis dahin können zumindest die schönen Locken verkauft werden. Nicht nur Filzer*innen und Spinner*innen freuen sich über die gute Qualität, auch Puppenmacher*innen verwenden die besonders weichen Halshaare gerne. Zu erstehen sind sie hier oder über die Facebook-Seite 

Hier gibt es auch eine weitere Besonderheit: Nicht nur die eigene, auch andere Wolle färbt Jackson. Seine Spezialität sind Naturfärbungen, die er mit Pflanzenextrakten aus der Umgebung erzielt, wie Rosmarin, Oliven oder Rosen. Auf die nächste Wolle, die aus England kommt, freue ich mich schon sehr. Es soll ein dünneres Garn, im fingering weight, also etwas für Nadelstärke 2,5 bis 3 werden. Meine Lieblingsstärke also. Bis dahin heißt es auch für mich wieder: Warten. Und mir die Fotos anzusehen, von meinem Besuch bei der Mohair-Oase.

 

Auf Claudia Krischer antworten

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  1. Connie

    Claudia, das ist ein toller Bericht, liebe lustige Ziegen, die auf spanisch meckern und sanftmütig und wollig sind

    Was eine schöne Reise!

    Connie

    • Claudia Krischer

      Liebe Connie, juhuu – es freut mich, dass es jetzt mit dem Kommentar geklappt hat. Und natürlich besonders, dass Dir der Beitrag gefallen hat.

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